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Die Nacht fühlt sich mehr wie ein Mittagsschläfchen an, da «dank» einer Lücke am ansonsten eigentlich gut gemachten Verdunkelungsrollo in meinem Zimmer immer ein wenig Tageslicht in den Raum dringt. Aber insgesamt habe ich gut geschlafen und treffe ausgeruht um 7 Uhr auf die meisten Mitstreiter aus der Reisegruppe.

Das Frühstücksbuffet ist erstaunlich vielseitig für so eine abgelegene Gegend:

Um 8 Uhr versammeln wir uns solchermassen gestärkt vor dem Hotel. Stefan hat für heute und morgen Ottgeir als unseren lokalen Guide angeheuert, mit dem er schon seit Jahren gut zusammenarbeitet. 

Abgesehen davon, dass es vorgeschrieben ist dass man das Stadtgebiet nur mit einem bewaffneten Guide verlassen darf, kennt Ottgeir die verschiedenen Fuchsbauen gut, was unsere Chancen hoffentlich erhöht, einen oder mehrere Polarfüchse zu entdecken. Ottgeir hat ebenfalls einen 8-Plätzer Van, so dass wir uns zusammen mit unseren Fotorucksäcken gut verteilen können. 

Wir fahren erst durch Longyearbyen hindurch und dann hinter dem Flughafen aus dem Ort hinaus, etwa 10km die Küstenstrasse entlang. Ab einem bestimmten Punkt ist «Strasse» allerdings eine etwas grosszügige Beschreibung; ausserhalb des Stadtgebiets waren die Mineneigentümer für den Erhalt der Wege verantwortlich, und die nächstgelegene Kohlemine hier hat Ende der 90er geschlossen. Damit liegt die Arbeit nun bei den Anrainern, sprich den Eigentümern der gelegentlichen Ferienhäusern und Cabins – dementsprechend ist es eine schlaglochreiche Schotterpiste, die man am Besten entweder sehr zügig oder in Schrittgeschwindigkeit überfährt.

Da wir ja Zeit haben nehmen wir es gemütlich, schauen viel und Ottgeir erzählt diverse Anekdoten aus der Geschichte von Svalbard.

Schliesslich stellen wir die Autos ab und machen uns zu Fuss auf den Weg. Ich erstmal damit beschäftigt, die ersten Vögel der Reise abzulichten: die «Snow Bunting» (Schneeammer) ist ein Arktisspezialist, im Winter aber auch in Deutschland zu sehen. Doch da wird die Schneeammer plötzlich schnell uninteressant, denn Ottgeir sichtet bereits einen Polarfuchs!

Aufregung macht sich breit, aber Ottgeir ermahnt uns schnell leise zu sein um den Fuchs nicht zu verscheuchen. Der Kleine ist allerdings eh schon relativ weit weg, und verschwindet nach einigen Sekunden. Es reicht für ein paar Fotos, wobei es für alle mit normalen Tele-Objektiven schon eher ein «Pixelfuchs» war – sprich man sieht ihn mit dem Fernglas, auf Grund der Entfernung ist er dann aber auf Bildern nur einige Pixel gross, und nicht annähernd formatfüllend. 

Dank der leistungsfähigen Nachbearbeitungstechnik in Lightroom und Topaz konnte ich mit dem grossen 800er Tele aber doch ein paar schöne «Motive mit Fuchs» einfangen. 

Nachdem der Fuchs sich wieder verzogen hat herrscht eine Mischung aus Euphorie und leichter Frustration – alle sind begeistert dass es nur 5 Minuten gedauert hat um unseren ersten Fuchs zu sichten, aber alle sind etwas frustriert dass er so weit weg war und so schnell das Weite gesucht hat. Mal schauen wie lange es bis zum nächsten Fuchs dauern wird…

Ausschau halten nach weiteren Füchsen .. leider erstmal ohne Erfolg

Wir spazierwandern sehr gemütlich weiter, immer wieder unterbrochen von Fotopausen. Egal wo man hinschaut, es hat entweder schöne Landschaftspanormen, Rentierte, oder Vögel .. Spitzbergen ist ein Paradies für Vogelliebhaber. Ob man will oder nicht, um die fliegenden Gesellen kommt man auf dieser Reise nicht herum, und mit der Zeit konvertiert so gut wie jeder in der Gruppe zum Birds-in-Flight Fotografen. Gerüchteweise soll das im Lauf des Trips zum Teil sogar in echter Begeisterung enden 😉

Ottgeir findet ein gut erhaltenes Rentiergeweih und demonstriert die praktischen Anwendungsmöglichkeiten:

Nur wenige Meter weiter (und immer wieder im Lauf des Weges) sehen wir die zugehörigen Rentiere. Wie gestern beim Dinner schon vermutet sind die Tiere fast allgegenwärtig, und wir sehen sie heute in deutlich schöneren Umgebungen als der Innenstadt von Longyearbyen.

Etwas später sichtet Ottgeir ein brütendes Schneehuhn-Pärchen in einem Geröllfeld. Diesen nahezu unaussprechlich benannten «Ptarmigans» war ich in Alaska auch schon begegnet, hier müssen wir heute aber vorsichtiger sein, da sie am nisten sind – und wenn sie vertrieben werden, lassen sie ihr Nest im Stich und kehren nicht zurück. Wir nähern uns also langsam und mit viel Vorsicht, und achten permanent ob Anzeichen von Stress bei den Tieren sichtbar werden. 

Das Ptarmigan Weibchen ist in ihren Tarnfarben kaum von den Steinen zu unterscheiden,während das Männchen in Weiss mit den charakteristischen roten Augenbrauen klar hervor sticht

Nach gut 2 Stunden erreichen wir ein Plateau auf dem wir eine halbe Stunde Pause machen, bevor wir zum Mittagessen nach Longyearbyen zurück kehren werden. 

Als erstes fallen uns 2 abgeschlossene Mountainbikes auf; laut Ottgeir gehören die Räder vermutlich 2 Studenten, die sie hier abgestellt haben um zu einer 2 Tagestour mit Übernachtung in einer Cabin aufzubrechen. Tatsächlich hat es in Longyearbyen neue und schön angelegte Unterkünfte für bis zu 400 Studenten – diese machen hier aber kein Vollstudium oder Abschluss, sondern kommen in der Regel nur für 1-3 Monate als Teil ihres Studiums nach Spitzbergen. 

Da das Plateau gerade ausserhalb der Flughafen-Schutzzone liegt können diejenigen, die ihre Drohne mitgebracht haben, hier ein paar schöne Aufnahmen machen. Ausser meinem Island-Gspändli Peter und mir hat niemand eine Drohne mit auf die Reise genommen, aber zumindest wir beide freuen uns von hier aus ein paar Panorama Aufnahmen aus der Luft machen zu können.

Von hier aus gehen wir dann relativ direkt zurück zu den Autos, und dann zum Mittagessen im «Stationen» direkt gegenüber von unserem Hotel in Longyearbyen, mit jeder Menge Eindrücke aus dem ersten halben Tag. Der hausgemachte Burger ist ausgezeichnet, im Interesse des anstehenden Nachmittagsprogramms verzichte ich auf ein Bier dazu, obwohl das jetzt gut zischen würde. 

Nach einer Stunde heisst es noch schnell einen Coffee to Go im Fuente zu holen, und dann machen wir uns bereits wieder auf den Weg – dieses Mal in die andere Richtung des Orts. Dort gibt es Eiderenten in der Mauser, im Wasser landende Vögel und anderes zu beobachten.   

Nach etwas über einer Stunde sind Stefan und Ottgeir langsam dran, die Teilnehmer wieder einzusammeln. Ich sehe in einiger Entfernung ein Strassenschild, das es nur auf Spitzbergen gibt, und das bei jedem Bericht über Longyearbyen einen Platz hat: 

«Gjelder Hele Svalbard» – «Vorsicht vor Eisbären in der ganzen Region Spitzbergen» 

Natürlich will ich auch ein Foto davon machen, und vereinbare mit Ottgeir dass sie mich bei der Weiterfahrt dort wieder einsammeln – aber selbstverständlich (wir sind schliesslich eine Gruppe von gleichermassen Verrückten Enthusiasten!) wollen alle ein Foto dort machen, also verbringen wir noch mehr als eine halbe Stunde damit.

Das Strassenschild direkt gegenüber auf der anderen Strassenseite hat aber auch etwas – «Better Moments» voraus! 

Nach dieser etwas ungeplanten Aktion ist es für zusätzliche Punkte im (sowieso flexiblen) Nachmittagsprogramm etwas zu spät, und wir kehren zurück ins Hotel.  

Stefan bietet für die 3 Stunden bis zum Abendessen zwei verschiedene Optionen für diejenigen, die nicht auf dem Zimmer bleiben wollen – zum Einen gibt es einen Rundweg innerhalb der Stadt, den man ohne Guide absolvieren kann und an dem man an der hiesigen historischen Kirche und einem Fuchsbau vorbei kommt, zum Anderen möchte er angesichts des tollen Wetters als alter Bergfan eine nahe gelegene Erhebung besteigen (ca. 160 Höhenmeter). 

Angesichts meiner Island-Erfahrung ist mir klar, dass der Rundweg am Fuchsbau vorbei die klügere Wahl ist. Als wir uns eine halbe Stunde später wieder vor dem Hotel treffen sind etwa 2/3 der Gruppe für die Bergsteiger-Option dabei; ich will mich gerade zum Rundweg verabschieden als Stefan mir nochmal nachspringt und meint, ich sollte unbedingt mitkommen, der Weg hoch wäre gar nicht so schlimm, und überhaupt! Und natürlich habe ich mich direkt überzeugen lassen… 

Tja, was soll ich sagen – der Weg war dann doch eher so heftig wie erwartet, aber ich hätte es ja auch besser wissen sollen, ich kenne Stefan ja schliesslich, lol. Zwischendurch umdrehen lag auch nicht drin wegen den Bären, bzw der Sicherung durch Ottgeir (entweder gehen alle hoch oder alle runter). 

Die Gruppe war zum Glück aber sehr geduldig mit mir, und der Blick von oben hat definitiv für die Mühen entschädigt. Da ich geistig auf den Rundweg vorbereitet war hatte ich natürlich auch nichts zu trinken eingepackt, aber Lisa und Eveline retten mich und teilen ihr Snickers bzw Wasser mit mir. 

Quelle: Stefan Forster

Nach einiger Zeit kommt die Frage auf, ob wir noch einen «Gipfel» höher oder absteigen wollen. Ottgeir spottet in dem Moment unten im Ort am Hafen ein Walross am Strand, und kurzentschlossen entscheidet sich die Gruppe für Abstieg & Walross.

Eveline hat ihre Wanderstöcke eingepackt und leiht mir einen davon für den Abstieg, was das Ganze deutlich einfacher macht. Im Tiefschnee sammle ich beim Abstieg noch einige Pfund Schnee in die Schuhe, und bin froh dass ich dieses Mal ein 2. Paar Schuhe eingepackt hatte (auch wenn das eigentlich primär fürs Schiff gedacht war).

Endlich gut unten angekommen geht es direkt weiter zum Walross, das zum Glück seinen Platz im Hafen nicht verlassen hat. 

Schöne Motive hat es in jeder Richtung, egal wo man die Kamera hinzielt 🙂

Es wird langsam knapp mit unserer Reservierung zum Abendessen, Stefan hat bereits unsere Verspätung angekündigt, aber viel Zeit bleibt nicht mehr – also gross Umziehen liegt nicht mehr drin, aber ich kann am Hotel zum Glück noch schnell in trockene Socken und Schuhe schlüpfen bevor wir zum Kroa aufbrechen. Auch dieses Lokal liegt im Zentrum direkt gegenüber von unserem Hotel, und Stefans Empfehlung für das Pfeffersteak ist goldrichtig – schon wieder ist es sehr lecker, die 2 Bier dazu sind nach der Abendwanderung einfach nur herrlich, und wir lassen den Abend gemütlich zusammen ausklingen… oder auch nicht! 

Denn auf dem Rückweg ins Hotel stellt Stefan die Frage, ob noch jemand Lust hätte, kurz eine halbe Stunde lang an der Stelle vorbei zu schauen an der wir heute morgen den Polarfuchs gesehen haben (war das echt erst heute?).

Ein Teil der Gruppe will natürlich, und natürlich bin ich auch dabei, also sammeln wir im Hotel schnell unsere Fotorucksäcke ein und springen ins Auto. Die Suche nach Füchsen bleibt zwar leider erfolglos, aber das ungewöhnlich gute und klare Wetter beschert uns noch ein paar tolle Panoramen und Lichtstimmungen.    

Spürbar nach Mitternach bin ich dann im Hotel, sichere noch alle Fotos von der Karte, packe die Akkus in die Ladegeräte und mache noch schnell 5 Minuten Kurzaufzeichnung fürs Reisetagebuch – was für ein gigantischer erster Tag auf Spitzbergen! 

Gemachte Fotos: 1760
Unterkunft: Svalbard Hotel The Vault, Longyearbyen