Um 2 Uhr, als ich noch keine Stunde im Bett liege, werde ich aus dem Halbschlaf gerissen. Die Freya lichtet ihre Anker, 2 Stunden früher als heute abend noch geplant; offensichtlich hat sich der Nebel schneller gelichtet als vorhergesagt.
Und tatsächlich klopft Stefan nur wenig später (um 3:15 Uhr) an unsere Türen. Es ist herrliches Wetter draussen, und um 4:30 Uhr soll es in die Zodiacs gehen – weiter draussen in der Bucht hat er Beluga-Wale gesichtet!
Belugas, oder auch Weisswale genannt, sind relativ selten. Sie werden 3-6 Meter lang und haben in ihren ersten 5 Lebensjahren eine eher blaugraue Färbung, erst danach nehmen sie die
charakteristische cremeweisse Farbe an. Man trifft sie hauptsächlich in arktischen und subarktischen Gewässern an (rund um Alaska, Kanada und Russland) und sie halten sich vorwiegend an den Packeisgrenzen auf, somit ist die weisse Farbe vermutlich ein Tarn-/Schutzmechanismus gegen Polarbären.
Während die meisten Gruppenkollegen sich am Bug mit den Kameras versammeln lassen Peter und ich vom Heck unsere Drohnen aufsteigen. Das Wetter ist perfekt heute, die Eisplatten vor dem tiefblauen Wasser sind wunderschön, und ruck-zuck habe ich 2 meiner 3 Akkus leer geflogen.
Um 4.30 Uhr gehen wir wie geplant in die Zodiacs, und Stefan weist Peter und mich noch an, auf jeden Fall unsere Drohnen mitzunehmen. Hätte ich das vorhin beim Erstflug mal gewusst bei meiner Akku-Planung…
Auf dem Wasser sehen wir noch 2 andere Expeditionsschiffe mit Zodiacs in der Gegend, wir
kommen uns aber nicht in die Quere, sehen aber schnell was die Anderen am Bewundern sind – massenhaft Belugas! Und „massenhaft“ ist ungewöhnlich wörtlich zu nehmen, es hat sicher 50-60 der Tiere hier vor Ort, was äusserst ungewöhnlich ist. Normalerweise sind Belugas sehr vorsichtig und scheu, und verschwinden schon wenn sich nur das Geräusch eines Zodiacs nähert – hier und heute aber ist es nicht so, sie kommen stundenlang in grosser Anzahl immer wieder unter dem Packeis hervor, und uns gelingen sensationelle Aufnahmen.
Stefan stellt später eines seiner Videos auf Instagram, und bekommt innerhalb kürzester Zeit Kommentare von bekannten Tierfotografen aus aller Welt ob der Film denn echt sei, und wie so etwas überhaupt möglich war. Wir sind zwar alle hauptsächlich wegen den Eisbären hier, aber wie die Guides und Stefan uns immer wieder versichern, das was wir heute gesehen haben erlebt man vielleicht einmal im Leben…
Zum Glück haben Peter und ich unsere Drohnen mitgenommen – Landen im Zodiac ist zwar nochmal eine Stufe schwerer als auf dem Schiff, aber auch hier nimmt uns Stefan diese Sorge ab. Eigennützig muss ich zugeben dass ich froh bin, dass nur wir Zwei unsere Drohnen mit auf die Reise genommen haben – wenn mehrere Teilnehmer ihre Fluggeräte dabei hätten wäre das so nicht möglich gewesen.
Zwischendurch auch ein paar Eindrücke vom Zodiac aus mit der normalen Kamera – das sieht man dann also ohne Drohne:
Blöderweise ist der eine Akku, den ich dabei habe, noch nicht einmal ganz voll, so dass ich schon nach 15 Minuten wieder landen muss. Peter bietet mir grosszügig einen seiner 4 Akkus an, was ich gerne annehme – nur damit er dann, kurz nachdem ich wieder in der Luft bin, feststellen muss dass 2 seiner Akkus auf dem Schiff in der Ladestation liegen und er den dritten bereits mit den Belugas leergeflogen hat… somit fliege ich also mit seinem letzten Akku, und er kann nicht mehr aufsteigen.
Ich biete ihm direkt an wieder zu tauschen, aber er trägt es mit Fassung, und im Gegenzug gebe ich ihm später immerhin alle Aufnahme von meiner Drohne. Und meine besten Fotos der Belugas gelingen mir bei diesem 2. Flug
Kurz vor 7:30 Uhr geht es zurück auf die Freya:
Unser Tag ist bereits mehr als 4 Stunden alt, nach nur 2 Stunden Schlaf, und ich merke keine Spur von Müdigkeit. Ein Hoch auf die Mitternachtssonne und das Adrenalin! Bis zum Frühstück ist es noch einen Moment, genug Zeit zum Duschen und erste Bilder sichten. Zum Frühstück gibt es frische Waffeln, besser als heute kann ein Tag auf so einer Reise doch gar nicht starten.
Bis zum Mittagessen gibt es erstmal keinen festen Plan, also lege ich mich erst nochmal hin, kann aber nicht wirklich gut schlafen. Nur knapp 90 Minuten später klopft dann auch schon wieder Stefan an Peters und meine Türen; wir sind in einer Gletscherbucht angelangt, die nur für Drohnenaufnahmen lohnt, da dann aber sehr. Zum Glück hatten wir beide unsere Akkus direkt nach Rückkehr zum Schiff in die Ladestationen gequetscht, somit sind wir bereits wieder flugfähig. Das Wetter hat sich mittlerweile auf neblig und grau gedreht, das ist für Gletscheraufnahmen aber viel besser als Sonnenschein, da unter diesem Licht das Eis schön blau leuchtet.
Beim Landeversuch auf dem fahrenden Schiff setzt Peter seine Drohne leider prompt gegen den Schiffskamin, mehr als 2 defekte Propeller sind aber nicht zu beklagen, und er hat glücklicherweise Ersatz dabei, so dass die fliegende Kamera innerhalb kurzer Zeit wieder einsatzbereit ist.
Dann ist es auch schon bald 13 Uhr, es gibt Mittagessen und die Ankündigung dass wir um 15.30 Uhr wieder in die Zodiacs gehen um eine Walrosskolonie zu besuchen. Das bietet gerade noch genug Zeit für eine Stunde Nickerchen, dann ist wieder Umziehen und parat machen angesagt.
Die Walrosskolonie ist deutlich grösser als auf unserer letzten Inselüberfahrt, und wir bekommen richtig schöne Szenen geboten. Man darf die Tiere ja nicht vermenschlichen, aber wenn zwei offensichtlich junge Tiere im Wasser miteinander raufen wie Teenager, und eines der älteren Tiere sie mit einem lauten Blöken zur Ordnung ruft wie ein leicht genervtes Elternteil, ist es schon schwierig keine Parallelen zu ziehen.
Die Gummistiefel halten zwar die Füsse trocken, aber nicht unbedingt warm, und ich schliesse
mich gerne der ersten Gruppe an, die zum Schiff zurück fährt. Lisa, die 3 Peters und Stefan bleiben noch eine halbe Stunde länger, und knacken mit Hilfe von Yves‘ Tipps die Frage, wie man einen guten unscharfen Vordergrund vor Tieraufnahmen hinbekommt, aber ich bin in dem Fall glücklicher mit meiner Entscheidung für eine heisse Dusche und warme Füsse.
Zurück auf dem Schiff frage ich noch ob wir zu spät zum Mittagessen sind, nur um dann zu realisieren dass es tatsächlich schon 18.50 Uhr ist – wir hatten bereits Lunch, und in 10 Minuten gibt es Dinner! Die kurze Nacht, der wenige Schlaf, das permanente Tageslicht und vor allem die supervielen Eindrücke am heutigen Tag haben mir jegliches Zeitgefühl genommen.
Beim Nachtessen (wie auch den anderen Mahlzeiten) gibt es keine feste Tischordnung, man setzt sich irgendwo hin und immer wieder mit anderen Leuten zusammen; unser Tisch heute ist super lustig, was sicherlich auch mit an der allgemeinen Übernächtigung und den vielen Eindrücken liegt.
Zum Abschluss kommt wie immer das abendliche Planupdate von Oscar und Stefan. Wir werden heute Nacht etwas langsamer als geplant fahren, damit wir morgen gegen 3 Uhr im Magdalenenfjord, unserem nächsten Ziel, ankommen – und dann gegen 3:30 Uhr in die Zodiacs gehen können, vor all den anderen Cruise Linern. Nachdem wir die ganze Reise praktisch alleine waren gelangen wir nun in Gegenden, wo auch andere Expeditionsschiffe (und vor allem eben die grossen Kreuzfahrer) unterwegs sind.
Der übliche harte Kern trifft sich noch im Salon um schnell die Bilder des heutigen Tages auf Festplatte(n) zu sichern und eine erste Durchschau zu machen, aber um 21 Uhr bin ich dann auch nudelfertig und gehe ins Bett. Es ist schon unglaublich, wie gut man auf so einer Reise mit schlussendlich nur 3 Stunden Schlaf durch einen Tag kommt – Adrenalin, Aufregung, tolle Erlebnisse mit netten Leuten, gutes Essen, was will man mehr!
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