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Tag 51 – 02.09.24 – Teil 1

Vorweg: der heutige Tag war mit fast zweieinhalbtausend Fotos wiedermal sehr ergiebig. Ich habe mich bei der Auswahl zwar sehr zurückgehalten, es sind aber trotzdem über 200 fast 300 Bilder geworden. Daher teile ich den Tag heute in 2 Teile auf. Eventuell lade ich den 2. Teil auch erst morgen hoch, es ist schon wieder ganz schön spät, und ich bin sicher morgen früh werde ich wieder um halb sieben von den Nachbarn zum Bärengucken geweckt 🙂 Und dann ist morgen ja schon Abreise hier und die Weiterfahrt nach Whitehorse auf dem Programm…

Um kurz nach 6.30 Uhr höre ich draussen Vic und Sue, meine beiden kanadischen Early Bird Nachbarn, hektisch auf der Veranda herumlaufen. Die gestern neu dazugekommenen Nachbarn in Zimmer 1 sind offenbar auch schon auf, wie ich den Gesprächsfetzen entnehme.

Gewissensfrage: im warmen Bett bleiben, oder aufstehen und einen Blick nach draussen werfen? Während ich das noch abwäge, höre ich wie Vic mit dem Auto davon fährt – es scheint also etwas los zu sein, für das sich das lohnt. Ich stehe auf und werfe einen Blick durchs Tele auf den Fluss, sehe aber nichts Besonderes. In dem Moment fahren die neuen Nachbarn auch vom Hof, und nicht nach links in Richtung Fluss, sondern nach rechts in Richtung einer Brücke, die dort den Fluss überspannt und in eine nette kleine Siedlung auf der Halbinsel gegenüber führt.

Also wenn beide Nachbarn losfahren, dann muss schon etwas Lohnendes los sein. Ich ziehe schnell Outdoorklamotten über den Pyjama und eine Mütze statt kämmen über den Kopf, und los geht’s.

Tatsächlich entdecke ich dann auf der Brücke ein gutes Dutzend Leute mit grossen Kameras und Teleobjektiven, allerdings gemütlich herumstehend, und die ersten 2-3 sind bereits am Gehen. Mir schwant Übles, bin ich zu spät? Ich rede mit einem der Fotografen und er erzählt, dass die Bärenmama von gestern gerade eben mit ihren 3 Kids fotogen unter der Brücke durchgelaufen ist, quasi aus dem Flusstal hinaus. Ich sehe die 4 zwar noch, aber bereits relativ weit weg … und natürlich nur von hinten! Ärgerlich, erst einmal.

Ich springe wieder ins Auto und fahre 200-300 Meter weiter bis zur nächsten Haltebucht, und spähe vom Auto aus durchs Gebüsch. Nichts zu sehen von den Bären, dafür habe errege ich die Aufmerksamkeit von einem anderen Tier 🙂
Ebenfalls gegenüber hockt der Kollege, der sich hier bisher leider ziemlich rar gemacht hat (oder einfach nur stundenlang bewegungslos in den Bäumen sass)
Also weiter die Strasse entlang, allerdings kommt die nächste Haltebucht erst ziemlich viel weiter hinten. Ich halte eine Weile Ausschau, und sehe die Bären tatsächlich kurz, aber a) zu weit weg und b) sind sie in einer Senke zum Fluss hin, bzw. meine Position ist zu tief um sie gut sehen zu können.
Während ich noch schaue hält ein anderes Auto ebenfalls an und ein Mann mit Kamera steigt aus; auf mein übliches freundliches «How are you» antwortet er direkt auf Deutsch. So viel also zum Thema «mein Dialekt» 🙂 Es stellt sich heraus: Thorsten kommt ursprünglich aus Hannover, lebt aber seit 16 Jahren in der Schweiz in Interlaken. Wir treffen uns im Lauf des Morgens noch an mehreren gemeinsamen Beobachtungspunkten wieder und plaudern weiter; er ist gelernter Forstwirt und Umwelttechniker,will auch nicht mehr weg aus der Schweiz, hadert aber ebenfalls mit der Frage ob die Schweizer Rente irgendwann mal ausreicht bzw ob man die nicht ggf. woanders verleben sollte. Er erzählt dann, dass er seiner Bank die gleiche Frage gestellt hätte – und sie hätten ihm wohl gesagt, seine Rücklagen würde nur bis 73 reichen, und danach müsste er aufs Amt für Ergänzungsleistungen, d.h. er solle sein Geld lieber schon vor der Rente für schöne Reisen nach Alaska ausgeben. Abgesehen davon dass er dem Rat offensichtlich bereits nachgekommen ist hat er sich vor seinem Urlaub in der Schweiz in einem Nationalpark als Park Ranger beworben – er meint nur, mit dem Traumjob würde er nie in Rente gehen. Leider hat er vor 3 Tagen dann eine Absage bekommen; es hatten sich wohl über 200 Leute auf die Stelle beworben, und er hatte weder die Ranger-Ausbildung noch rätoromanische Sprachkenntnisse im Portfolio.

Aber zurück zu den Bären: wir sind immer noch an der flachen Haltestelle, von der man die Bären kaum sieht, und ich bin geistig eigentlich schon auf dem Weg zurück in die Lodge zum Duschen und Umziehen, als wir sehen dass die Bären offenbar den Fluss durchquert haben und auf der gegenüberliegenden Seite wieder auf dem Rückweg sind. Es ist ein bisschen ein Glücksspiel, aber wenn wir jetzt zurück zur Brücke fahren haben wir vielleicht eine Chance, die Bären dort von vorne auf uns zulaufen zu sehen – sofern sie denn tatsächlich in die Richtung laufen.

Gesagt, getan – wir fahren alle zur Brücke zurück und stellen uns in Position. Eine Gruppe, mit der ich mich gestern auch schonmal unterhalten hatte, stellt sich auf Höhe der Wasserlinie auf (aber natürlich immer noch auf der anderen Seite des Flusses als die Bären).

Und tatsächlich kommt dann 10 Minuten später die Bärenfamilie in Sicht, und marschiert wie erhofft unter uns im Fluss unter der Brücke durch!
Nachdem die Bärenfamilie unter der Brücke durch ist, verschwinden sie irgendwann im Gebüsch. Ich mache mich auf den Weg zum Wehr, in der Hoffnung dass sie dort vielleicht wieder aus dem Unterholz kommen – die Hoffnung ist aber vergeblich, denn am Wehr wird gerade wiedermal Lachse gezählt. Die Zahlen sind eindeutig stark rückläufig wie man auf einem Schild in der Nähe sieht.
Vic und Sue sind auch hier, und gemeinsam beobachten wir erstmal zwei Harbour Seals, die im Fluss herumtollen (aber offenbar auch keine Fische fangen) und einen Adler, der mit maximaler Effizienz im Baum sitzt und nix tut 🙂
Nachdem sich aber auch nach dem Abgang der Fischzähler sonst nichts tut gehen meine Nachbarn zurück in die Lodge.

Ich bleibe noch ein Weilchen und komme dabei mit 2 Brüdern aus der Gegend um Seattle ins Gespräch, die in Alaska eine ähnliche Tour wie ich gefahren sind, ausser dass sie Denali und die Tour über Fairbanks ausgelassen hatten … und dass sie voher von Seattle aus die komplette Strecke von 2’500 Kilometern hierher hochgefahren sind, das Ganze in bis dato 3 Wochen, und auch noch auf Motorrädern! Erstaunlich dass man da noch sitzen kann 🙂 Sie sind auch immer nur kurz an den einzelnen Orten; hier sind sie gestern Nacht angekommen, haben jetzt auf eine Bärensichtung gehofft, weil es am Nachmittag bereits mit der Fähre nach Skagway und von dort aus 200 Meilen weiter nach Teslin geht. Was für ein Programm.

Nachdem ich jetzt ein Stunde hier am Wehr gestanden habe ohne dass sich etwas tut wünsche ich den Brüdern noch eine gute Fahrt, und fahre noch einmal kurz die Strasse bis zum Ende am See ab – allerdings ohne irgendwelche Wildlife Sichtungen.
Auch mal interessant: so sieht meine Lodge von unten am Wehr gesehen aus.
Nachdem ich jetzt ein Stunde hier am Wehr gestanden habe ohne dass sich etwas tut wünsche ich den Brüdern noch eine gute Fahrt, und mache mich selbst auf zurück in die Lodge. Nach Duschen und Umziehen geht es nach Haines – in einer der lokalen Tankstellen will ich erstmal auftanken. Die Tankstelle Delta Western behauptet meine Visa sei eine Debitkarte (was sie nicht ist) und verweigert den Sprit, aber zum Glück ist nur 150 Meter der Bigfoot Auto Service, wo man ebenfalls tanken kann, und hier klappt alles wie gewohnt problemlos.

Im IGA Supermarkt hole ich nochmal ein paar Flaschen Wasser, und danach schaffe ich es endlich mal zu Öffnungszeiten in den Rusty Compass.

Coole Idee: im Rusty Compass können Gäste Stecknadeln auf der Weltkarte positionieren um ihre Herkunftsländern zu markieren, mache ich natürlich auch (wobei die kleine Schweiz schon ziemlich zugenadelt ist!).

Auch spannend: dieser Druck hier wird für knapp 600 USD zum Kauf angeboten. Klar, die Kosten für einen Druck dieser Grösse sind auch nicht ohne, aber da habe ich glaubs (ganz unbescheiden) eine Menge eigene Bilder die mindestens so gut geworden sind.
Ausserdem nehme ich ein Roastbeef Sandwich und einen Kaffee mit, die ich 5 Minuten später am Picknickplatz mit Meerblick geniesse – beides wie gewohnt super lecker. Schade konnte ich hier nur einmal hin, morgen werde ich wohl nicht mehr nach Haines kommen, sondern direkt zur Fähre fahren.
Zurück in der Lodge hat es Vic geschafft, ein Paar der Stellar Jays anzulocken, und wir machen einige Dutzend Hundert Schnappschüsse – es sind wirklich ausnehmend schöne Vögel! Ich habe versucht nur eine kleine Auswahl zu treffen, aber da müsst ihr halt jetzt auch durch 🙂
erstmal Ich habe mich gerade hingesetzt, um an den Fotos des Vormittags zu arbeiten, als Vic mir signalisiert dass «Lulu» am Wehr aufgetaucht sei – Lulu ist eine ältere Bärin, die in den letzten Jahren oft mit Cubs hier zu sehen war, dieses Jahr aber ohne Nachwuchs unterwegs ist.

Natürlich mache ich mich auch auf den Weg ans Wehr, aber Lulu weiss genau wie das hier läuft, und wie sie mit minimalem Aufwand den maximalen Fischertrag holt: sie sitzt relativ bewegungslos am Wehr, und frisst die Fische die dort gegen die Stangen geschwemmt werden. Sehr effizient, aber nur begrenzt unterhaltsam für uns, so dass ich erstmal auch ein paar Bilder von den Raben mache, und nach einer halben Stunde wieder zurück in die Lodge fahre.

Zurück an der Lodge gibt es nochmal ein kurzes Zwischenspiel mit den Stellar Jays

…und danach mache ich mich wieder an die 1’440 Bilder des Vormitttags, und gegen später noch ein Mittagsschläfchen.

Gegen 17 Uhr sitze ich wieder an den Fotos, als Vic draussen ans Fenster klopft – südlich des Wehrs ist eine zweite Bärenmutter, ebenfalls mit 3 (schon etwas älteren) Cubs, die sich anscheinend in unsere Richtung bewegen.

Also nichts wie die Kamera geschnappt, warme Jacke an und hinaus auf unsere Veranda. Wir sitzen erstmal gemütlich in unseren Stühlen, weil die Bären leider keine Anstalten machen wirklich irgendwo hin zu laufen, als wir plötzlich sehen dass «unsere» Bärenfamilie (von gestern und heute morgen) gerade direkt gegenüber von uns auf der anderen Uferseite aufgetaucht ist. Zusammen mit 2 Dutzend anderen Touristen, die unten die Parkstrasse entlangmarschiert kommen, machen wir uns auch auf nach unten, und beobachten die nächsten 2 Stunden unsere Vier, wie sie den Fluss hoch und runterlaufen.

Wir sehen: vergebliche und erfolgreiche Fischversuche der Bärenmama, hungrige Bärenkinder, raufende Bärenkinder, und vieles mehr. Ich komme mit weiteren knapp 1’100 Bildern nach Hause, als es um 19 Uhr so dunkel wird dass ich das Limit meines Objektiv erreiche.

Bei so vielen Aufnahmen lohnt es sich auch nicht mehr, alle zu entwickelnd die «gut» bzw scharf geworden sind, es wird einfach mengenmässig zu viel – ich habe also versucht mich auf spezielle Situation oder Ausschnitte aus Bewegungsabläufen zu konzentrieren, die wir noch nicht hatten oder die besonders sehenswert waren.

Und diese Bilder gibt es dann im 2. Teil des Berichts zum heutigen Tag 🙂

Unterkunft: Chilkoot Haven Lodge, Haines, Alaska
Gefahrene Km: 33
Schritte: 6’354
Fotos: 2’504