ca. 12 Minuten Lesezeit | Seitenaufrufe: 26 |

Wie geplant weckt mich mein Handy um 4:45 Uhr für meine Schicht der Bärenwache. Schnell die Zähne geputzt und umgezogen, den Rest mache ich später. Auf dem Weg zur Brücke habe ich noch gerade genug Zeit um mir in der Messe einen Tee zu machen, dann ist es auch schon 5 Uhr. Jan und Jeanette freuen sich über die Ablösung, sie hatten in ihrer Schicht aber leider nichts Spannendes gesichtet.

Ausser Jan und mir ist noch Linus, der erste Offizier auf dieser Reise, mit uns auf der Brücke. Auch wenn wir im Moment nicht fahren ist die Brücke doch immer besetzt, entweder der Kapitän oder einer seiner beiden Offiziere muss immer hier sein. Linus ist Schwede und spricht gut Englisch, aber mit einem heftigen Akzent (fast wie Schottisch oder Irisch) – dafür ist er sehr unterhaltsam, auch wenn um diese frühe Stunde keiner von uns so richtig energiegeladen wirkt.

Wir beobachten mit den zahlreichen Ferngläsern, die von den anderen Mitreisenden hier deponiert worden sind, die Umgebung – leider ohne Erfolg. Die Stunde vergeht dennoch recht kurzweilig, unter anderem damit dass wir uns gegenseitig im Kapitänssessel fotografieren (Platz nehmen ist erlaubt, Instrumente anfassen besser nicht ;-)) 

Wie man hier schön auf der Instrumentenanzeige sieht: wir sind seit gestern jenseits des 80. Breitengrads, also wirklich SEHR weit nördlich. Von hier aus sind es weniger als 1’000 Kilometer bis zum Nordpol!

Um 6 Uhr ist die Bärenwache zu Ende, weil um diese Zeit meistens Stefan und ein paar Andere eh schon wach sind. Stefan stösst tatsächlich kurz nach 6 Uhr zu uns, und fliegt erstmal eine Runde mit der Drohne. Im Packeis geht das wie gesagt problemlos (und legal). Ich schliesse mich genau wie die anderen 7 Drohnenbesitzer der Gruppe an, und mache ein paar Aufnahmen bis es um 8 Uhr Frühstück gibt.

Stefan demonstiert, wie man erfolgreich eine Drohne auf einem fahrenden Schiff «landet» – gar nicht so einfach!

Nach dem Frühstück springe ich unter die Dusche und gehe danach wieder auf die Brücke; in der Messe und im Salon ist fast niemand mehr, alle sind oben im Scouten.

Auch ein interessanter Gegensatz zu der 2023er Reise: damals waren nur wenige Leute regelmässig auf der Brücke, vielleicht weil damals auch nur 2 oder 3 Leute ein gutes Fernglas dabei hatten. Stefan und Yves finden es heute natürlich super, so viel Unterstützung bei der Suche zu haben. Ich habe eine etwas gemischte Meinung dazu; mir persönlich hatte das vor 2 Jahren gut gefallen, dass man zwischen den Sichtungen im Salon immer mit jemandem über die eben gemachten Fotos fachsimpeln konnte – es ist jedes Mal spannend zu sehen, wie andere Fotografen die gleiche Szenerie einfangen und gestalten, und ich habe mir dabei auch einige gute Tipps und Inspirationen abschauen können. Stefan erzählt, dass er aber in 2023 wohl von 1-2 Leuten gehört hat, dass sie die «ständigen» Diskussionen über «schau mal was ich für ein tolles Foto habe» als frustrierend empfunden hätten, was mir damals nicht aufgefallen war, aber gerade bei denjenigen Mitreisenden mit relativ kleinen Objektiven noch irgendwo nachvollziehbar wäre.

Trotzdem: mit 10-15 Leuten stundenlang auf der Brücke stehen ist jetzt auch nicht meine Idealvorstellung.

Hier liegen etwa 25’000 Franken 🙂 Fast jeder hat für schnellen Zugriff eine seiner Kameras griffbereit auf einer Ablage auf der Brücke deponiert.

Der Hot Tub. Spoiler Alert: ein paar Mutige werden in den nächsten Tagen tatsächlich noch darin baden. Und nein, ich gehöre nicht dazu!!

Leider nur ein Deko-Polarbär!

Der Kapitän fährt uns weiter am Packeis entlang auf der Suche nach einer guten Stelle zum «Anlanden» – wie Stefan berichtet ist der Plan für heute (sofern wir keinen Bären sichten), dass die Freya sich ins einige Meter ins Packeis einrammt, die Gangway ausfährt und wir dann zu Fuss aufs Packeis gehen können – auch etwas, das nicht viele Leute jemals erleben!

Um 13 gibt es Mittagessen, danach will ich nicht schon wieder auf die Brücke und mache statt dessen lieber ein Nickerchen.

Gegen 16.30 Uhr hat der Kapitän eine gute Stelle gefunden, und positioniert die Freya entsprechend ins Packeis. Die Mannschaft hat den motorbetriebenen Kran an Bord soweit enteist, dass sie die Gangway damit bewegen können. Sie testen das Eis, befinden es für sicher, und dann dürfen wir tatsächlich auch!

Es ist saukalt, aber hat es ist schon etwas Besonderes hier zu sein.

Stefan macht von jedem der möchte Fotos mit der Freya im Hintergrund, später gibt es noch Gruppenbilder & -videos mit Yves› 360-Grad Instagram Kamera und Stefans Drohne.

Quelle: mit freundlicher Genehmigung von Stefan Forster

Quelle: mit freundlicher Genehmigung von Stefan Forster

Die gute Winterkleidung hat schon sehr geholfen, aber nach knapp 2 Stunden auf dem Eis ist man schon recht durchgekühlt – die heisse Dusche in der Kabine ist da eine echte Wohltat!

Unser Dinner ist heute wegen des Packeis-Ausflugs erst für 20 Uhr angesetzt worden, und so finden wir uns gegen 19 Uhr dann doch recht zahlreich im Aufenthaltsraum für einen Apéro ein. Karim hatte gestern erwähnt dass seine Spezialität ein Frozen Strawberry Daiquiri sei, und drei Mitreisende und ich wollen das heute mal testen. Es dauert zwar über 20 Minuten bis die Drinks fertig sind, dafür stammt das crushed ice von einem der Gletscherabbrüche an denen wir vorbeigekommen sind (gereinigt natürlich).

Nach dem Nachtessen treffen wir und nach und nach alle wieder oben auf der Brücke. Stefan und Yves möchten nochmal eine Nacht im Packeis verbringen, und die Bärenwache nochmal neu auflegen, sofern wir mitmachen wollen – alle wollen, wir haben die Hoffnung auf einen Polarbären noch nicht aufgegeben. Jan und ich melden uns erst für die Schicht von Mitternacht bis 1 Uhr, überlassen diese dann aber Leslie und Tomas, die gestern schon einen der etwas «übleren» Zeitslots hatten, und nehmen stattdessen 4-5 Uhr.

Inzwischen sind alle entweder recht müde vom langen Tag, und/oder wissen dass sie für ihre Bärenwachschicht bald aufstehen müssen, und so gehen gegen halb elf die Meisten ins Bett – auch ich. Noch schnell eine Sprachnachricht an mich selbst aufgenommen mit den wichtigsten Infos zum Tag (sonst wäre es gar nicht so einfach, daheim diese Tagesberichte zu verfassen!) und dann ist Licht aus, und ich bin in kürzester Zeit eingeschlafen

Gemachte Fotos: 274
Zurückgelegte Schritte: 5’562