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Entspannter Start, Tag 2

Die Freya hat heute nacht auch wieder ganz ordentlich Strecke auf dem Weg nach Norden zurückgelegt; nach wie vor ist unser Plan, es ins Packeis hoch zu schaffen, und die Eiskarte und die Wettervorhersage scheinen uns wohlgesonnen zu sein.

Stefan lässt uns bis 6.30 Uhr schlafen und klopft dann an die Türen. Wir sind im Smeerenburg Fjord angelangt und das Wetter zeigt sich bewölkt und diesig, d.h. aufstehen zum Sonnenaufgang so wie gestern hat sich heute nicht gelohnt, dafür hat es wieder schönes Pancake Ice, dessen Strukturen im dunklen Wasser und vor den verhangenen Bergketten wirklich auch gute Motive bieten.

Die gleiche Aufnahme nochmal neu interpretiert in 2 unterschiedlichen, schwarz-weiss und hi-key betonten Entwicklungsvarianten:

Kein spektakulärer «Sonnenaufgang», aber hat auch etwas:

Um 8 Uhr sind wir wie immer parat zum Frühstücken; im Aufenthaltsbereich hat Alex, unsere dritte Guide neben Stefan und Yves, wie jeden Tag einen Fun Fact aus der Geschichte der Polarexpeditionen notiert (sowie eine Liste aller unserer Tiersichtungen bis dato).

Dass ich Alex bisher nicht erwähnt hatte liegt auch daran, dass mir bis zum Ende der Reise nicht wirklich klar werden wird, was eigentlich ihre Rolle an Bord ist. Bei der Sommerrreise in 2023 hatten wir neben Stefan sogar noch drei weitere Guides, was angesichts der vielen Zodiac Ausflüge auch sehr gut war, aber im Winter bleiben die Zodiacs in der Regel unbenutzt an Bord. Yves und Stefan sind sehr aktiv in der Kundenbetreuung und geben Tipps zum Fotografieren und Motivsuche, aber Alex bleibt eher im Hintergrund.

Sie wird im Lauf der Reise an einem Nachmittag einen 45 Minuten Vortrag zu ihren Erfahrungen als Bergsteigerin halten, da sie als eine von nur einer Handvoll Frauen weltweit die 7-Summit-Tour bewältigt hat: dabei geht es darum, auf jedem Kontinent den jeweils höchsten Gipfel zu besteigen. Sie hatte diesem Vorhaben ab 2014 jahrelang ihr ganzes Leben untergeordnet, also durchaus eine spannende Geschichte! Als Guide haben wir sie auf der Reise aber nicht sehr aktiv wahrgenommen.

Nach dem Frühstück ist erstmal wieder Pause, und man trifft sich im Lauf des Vormittags immer wieder auf der Brücke der Freya zum Ausschau halten, ein paar Bilder machen, und die fallenden Temperaturen auf dem Aussenthermometer bestaunen:

Am späten Vormittag bieten sich auch wieder tolle Pancake Ice Motive:

Kurz bevor es eigentlich Zeit zum Lunch ist bekommen wir einen Hinweis von der Brücke, jemand hat ein Walross gesichtet, das gemütlich auf einer Eisscholle entlang unseres Weges schläft. Das Tier ist von zahlreichen vergangenen Kämpfen gezeichnet, und hat diverse Narben sowie abgebrochene Stosszähne – nicht unbedingt ein schöner, aber sicher ein interessanter Anblick. Es ist über unser Auftauchen auch in keinster Weise irritert, so dass wir in Ruhe ein paar Bilder machen können während die Freya vorbeischippert. Dank meines 800er Teles bekomme ich auch aus dieser Entfernung formatfüllende Fotos.

Nach dem Mittagessen mache ich wie die Meisten erstmal ein Päuschen in der Kabine; der Rest des Nachmittags verläuft relativ ereignislos, da wir erfolgreich weiterhin auf dem Weg ins Packeis sind – unterwegs aber eben nur noch Wasser und gelegentliche Eisschollen zu sehen bekommen. Stefan ist so rastlos, dass er irgenwann sogar anfängt das Oberdeck von Eis zu befreien (normalerweise geht Nils, einer der beiden Matrosen an Bord, mindestens 2x pro Tag die Wege und Geländer auf dem Schiff mit Hammer und Eisstecher freimachen, und er freut sich sichtlich dass Stefan ihm zumindest hier oben einen Teil der Arbeit abnimmt):

Gegen 21 Uhr erleben wir eigentlich das Highlight des heutigen Tages: wir sind erfolgreich ausserhalb der 12-Meilen-Zone um Spitzbergen im Packeis angekommen, und der Kapitän bahnt mit der Freya einen Weg in eine grosse Eisfläche – hier draussen darf man das wieder. Genau wie man hier auch endlich wieder Drone fliegen darf, was ich genau wie fast alle anderen Mitreisenden dann auch gleich mache, während der Sonnenuntergang uns wieder herrliches Licht beschert.

Im Gegensatz zur 2023er Reise, bei der nur Peter und ich eine Drohne dabei hatten, hat auf dieser Reise praktisch jeder seine fliegende Kamera eingepackt. Das sorgt einerseits für ein ganz schönes Gedränge auf dem hinteren Oberdeck, wenn alle zeitlich landen oder starten wollen, und da die Meisten im Gegensatz zu mir die grosse Mavic 3 Pro mit den starken Fernbedienungen dabei haben, kommt es auch immer wieder vor dass man mal kurz den Kontakt zur Drone verliert. Ich muss zwar zum Glück keinen Verlust beklagen, aber es gibt ein paar «spannende» Momente 😉

Dabei hilft auch nicht, dass man mit den dicken Handschuhen den Controller nicht gut bedienen kann – einige wie Jan aus Stuttgart fliegen sogar ohne Handschuhe, ich nehme zumindestens meine dünnen wetterfesten Handschuhe, in denen die Finger bei über -20 Grad aber nach ein paar Minuten auch sackkalt werden. Nach jedem Flug ist daher dann erstmal aufwärmen angesagt!

Oben: Wie man bei meiner Brille sieht: wehe sie beschlägt sich! Der Beschlag friert innerhalb weniger Sekunden fest, da hilft nur Auftauen im Schiffsinneren (oder die Brille nah am Körper in eine Innentasche stecken und bis dahin ohne Brille weitermachen)

Unten: die Portraitaufnahme von Jeanette zeigt auch nochmal, wie kalt es ist – der Atem gefriert sowohl im Schal/Buff wie auch an Augenbrauen und Wimpern in Kürze fest. Es ist wirklich kalt!

Quelle: Video mit freundlicher Genehmigung von Stefan Forster:

Wenn man genau hinschaut, erkennt man auf den beiden unteren Bildern Stefans Drohne, die ich zufällig dabei fotografiert habe als er damit am Bug der Freya ein Familienportrait von sich, Iris und Simon geschossen hat 🙂

Nach dem Drohnefliegen finden wir uns nach und nach alle wieder auf der Brücke ein.

Nachdem wir jetzt im Packeis liegen fragen Stefan und Yves an, ob jemand Lust hat, sich in den nächsten Stunden an einer «Bärenwache» zu beteiligen – natürlich freiwillig, aber sie würden gerne die Zeit von 23 – 5 Uhr in einstündige Schichten unterteilen, und jeweils 2 Leute pro Schicht mit Ferngläsern auf der Brücke postieren. Alle machen mit, und ich habe noch Glück und bekomme zusammen mit dem Stuttgarter Kollegen Jan die Schicht um 5 Uhr – wie ich von den Nachtwachen in den Hides in Südafrika letztes Jahr noch gut in Erinnerung habe, sind die Randzeiten-Schichten wesentlich besser, als nachts um 2 Uhr für eine Stunde aufstehen zu müssen.

Diejenigen mit der 23-24 Uhr Schicht bleiben direkt wach und auf der Brücke, alle anderen gehen ins Bett um noch etwas Nachtruhe zu tanken. Es ist gegen 22.30 Uhr als ich den Wecker auf 4:45 Uhr stelle und das Licht ausmache.

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