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Tag 52 – 03.09.24

Heute ist bereits mein Abreisetag aus Haines bzw der Chilkoot Haven Lodge – es geht zurück nach Whitehorse. Der Kreis meiner Yukon/Alaska Tour schliesst sich, und ich werde heute abend dort ankommen, wo ich am 1. August vor über einem Monat gestartet bin.

Ich wache kurz vor 6 Uhr auf, obwohl von den Nachbarn noch nichts zu hören ist. Ein schneller Blick in Richtung Fluss zeigt einen einzelnen Bären, der aber nur für etwa 10 Sekunden im Wasser ist um einen Fisch zu fangen, und dann im Unterholz verschwindet. Ausserdem ist es noch recht dunkel, d.h. Fotos würden eh zu sehr rauschen, also lege ich mich nochmal hin.

Um 8.30 Uhr weckt mich der Gesprächslärm der Nachbarn draussen ein paar Minuten vor dem Wecker, es herrscht allerdings keine sonderliche Betriebsamkeit, also gehe ich erstmal durchs Bad. Kurz nach 9 Uhr schaue ich auf die Veranda; Sue von nebenan sitzt draussen, vom Rest ist nichts zu sehen. Wir plaudern ein paar Minuten, bis ich zufällig sehe dass «unsere» Bärenfamilie wieder unterwegs ist – und zwar quasi direkt unter uns (die Lodge sitzt ja auf einem Hügel) auf unserer Seite des Flusses!

Allerdings passiert mir ein richtig doofer Anfängerfehler: ich hatte bei den dunklen Lichtverhältnissen heute morgen um 6 Uhr temporär eine lange Verschlusszeit eingestellt, um besser sehen zu können – und dann vergessen, von 1/160 wieder auf die üblichen 1/1600 – 1/2000 umzustellen. Dementsprechend sind von den 200 Bärenfotos viele leider unscharf, vor allem da wo sich die Tiere bewegt haben. Ein paar brauchbare Aufnahmen gab es dennoch, aber trotzdem… ärgerlich!

Ich schiesse schnell ein paar Aufnahmen; dann durchquert Mama den Fluss, der heute recht ordentliche Tiefe und Strömung hat. Die Kleinen versuchen ihr hinterher zu kommen, sind in dem Alter aber noch viel zu leicht und treiben wie Bojen den Fluss hinunter! Es besteht aber keine Gefahr, so reissend oder lange ist der Fluss ja nicht – alle 3 kommen erfolgreich auf die andere Seite, einfach 50-80 Meter weiter unten als die Mama. Leider versperren mir die Bäume am Flussufer die Sicht auf die Ereignisse, aber Nachbar Vic, der zu dieser Zeit unten auf der Brücke gewartet hatte, erzählt später dass er ein paar schönen Momentaufnahmen von den Kleinen hat, wie sie den Fluss durchschwimmen.

Schön, dass die Vier mir quasi eine Abschiedsvorstellung gegeben haben! Ich bin einerseits ja sehr zufrieden mit den 3 Nächten, die ich hier am Fluss verbracht habe, weil ich von dieser Bärengruppe ein paar wirklich schöne Fotos und Beobachtungen mitnehmen konnte. Andererseits bin ich im Vergleich zum Besuch in 2018 schon etwas enttäuscht, weil der Fluss damals ja ständig voll war mit Adlern und Bären.

Nachbarin Sue erzählt heute, als wir auf das Thema kommen, dass sie in der Regel auch immer erst etwas später im September hier gewesen sind, und einer der Ranger gestern wohl zu ihnen gemeint hat, dass es erst noch ein paar kalte Nächte braucht – die Kälte gibt den Bären das Signal dass der Winter kommt, und triggert ihren «ich muss dringend mehr für den Winterschlaf essen» Reflex, und dann sieht man auch mehr Bären am Fluss.

Also, memo an selbst: falls ich hier nochmal herkomme, ist Mitte September wahrscheinlich besser.

Aber – und auch da sind wir uns einig – das ist Jammern auf ganz hohem Niveau. Man darf nie vergessen, was für ein Privileg es ist, überhaupt hierher kommen und das erleben zu können.

Um kurz nach halb elf verabschiede ich mich dann von Sue und Vic, und breche auf. Der Fährhafen ist nur 10 Minuten entfernt, und ich treffe wie verlangt um kurz nach 10:45 Uhr dort ein; 2 Stunden bevor die Fähre um 12:45 Uhr losfahren soll. Es ist aktuell so gut wie nichts los.

Die Check-in Prozedur ist in wenigen Minuten erledigt, und der Agent weisst mich noch darauf hin, dass ich entweder schon in meine Wartespur fahren dürfte, oder nochmal runter vom Gelände könnte – man soll einfach um 11:45 Uhr wieder hier sein. Das hatte ich mir letztes Mal nicht im Bericht aufgeschrieben und heute morgen daher noch gerätselt, ob das geht.

Bis 11:45 Uhr ist es noch gute 50 Minuten, also fahre ich nochmal nach Haines Downtown und hole mir im Rusty Compass einen grossen Mocha und nochmal eine halbe Portion von dem leckeren Roastbeef Sandwich wie gestern. Allerdings liegt heute in Kreuzfahrtschiff in Haines vor Anker.

Ich halte schnell am Picknickplatz von gestern für ein Foto, und sehe dort auch ein Wohnmobil, dass mir im Kluane Nationalpark schonmal im Vorbeifahren wegen der besonderen Lackierung aufgefallen war. Stellt sich heraus, es sind Deutsche aus Paderborn!

Leider ist in Haines heute dank des Kreuzfahrtschiffs sehr viel los, Leute wo man hinschaut. Im Rusty Compass erwische ich aber einen guten Moment, und komme zügig dran.

Vom Ortskern bis zum Fährhafen braucht man auch nur 6 Minuten mit dem Auto, also bin ich schnell wieder dort und stelle mich in Reihe 1, wo ich erstmal das Sandwich und den Kaffee verfrühstücke. Ich hätte mich auch in Reihe 2 stellen dürfen, wo noch niemand stand, mache aber den Fehler anzunehmen, dass Reihe 1 komplett aufs Schiff darf bevor Reihe 2 an die Reihe kommt. Spoiler: am Ende fahre ich als vorletztes Fahrzeug aufs Schiff. Den Platz und vor allem das Gewicht der verschiedenen Fahrzeuge im Laderaum gut auszutarieren ist aber auch eine Kunst, kein Wunder dauert das fast 1 Stunde für die vielleicht 20-30 Fahrzeuge.

Ein Passagier mit einem 5th Wheeler und ein Wohnmobil müssen sogar rückwärts die Rampe zur Fähre hinab! Und schon bin ich wieder ganz versöhnt mit meiner langen Warterei 🙂

Tja und dann ist es 12.30 Uhr, alle Fahrzeuge sind an Bord, es könnte also in einer Viertelstunde pünktlich losgehen. Tut es aber nicht, komisch. Ich bin auf dem obersten Deck, auf dem man auch hinaus in den Aussenbereich kommt, und höre plötzlich Sirenen. Ein Polizei SUV kommt mit voller Beleuchtung auf den Parkplatz des Fährhafens geschossen, und 2 Officer in voller Montur kommen an Bord.

Ein paar Minuten später folgt ein Krankenwagen, ebenfalls voll beleuchtet.

Während ich mich noch wundere, klärt mich die neben mir an Deck stehende junge Frau auf – 2 Mitarbeiter des Schiffs wollten offenbar ein Rettungsboot neu ausrichten, hatten dabei das Gleichgewicht verloren und waren beide ins Wasser gestützt! Der Erste konnte sich selbst wieder aus der Misere retten, der Zweite trieb aber wohl eine Viertelstunde in dem kalten Wasser bevor man ihn an Bord ziehen konnte. Bei wohlgemerkt 10 Grad Lufttemperatur ist das Wasser eisig und der Mann leidet sicher an aktuer Unterkühlung.

Der Krankenwagen fährt an Bord und kümmert sich um die Erstversorgung; erst nach einer dreiviertel Stunde kommt die erste Durchsage vom Kapitän, der sich für die entstandene Verspätung entschuldigt, und berichtet dass es beiden Mitarbeitern gut geht. Der Krankenwagen bringt den Unterkühlten ins Spital, und kurz darauf starten wir (mit inzwischen 1 Stunde Verspätung) in Richtung Skagway.

Auf Deck ist es windig und fies kalt, ich bin also froh dass ich neben der Daunenjacke auch Mütze und Handschuhe mit aus dem Auto genommen hatte (während der Überfahrt dürfen Passagiere nicht mehr in den Laderaum zu den Fahrzeugen).

Beim Fotografieren unterhalte ich mich weiter mit meiner Decknachbarin, die mir erzählt hatte was den Rettungseinsatz notwendig gemacht hatte – Alice kommt aus Orgeon, hat Familie in Haines und ist alleine mit ihrem Border Collie in einem Van unterwegs – die ganze Strecke mit dem Auto hin und zurück wird sich bei ihr auch auf gute 9’000 Meilen summieren, ist aber superschön zum Fahren. Ihr Border heisst sinnigerweise «Bear» – sie erzählt dass sie das vor der Reise noch ganz lustig fand, sich inzwischen aber etwas komisch vorkommt wenn sie auf einem Campingplatz herumläuft und laut «Bear! Bear!» nach ihrem Hund rufen muss 🙂

Die Fahrt nach Skagway dauert nur knapp 45 Minuten, und bei der Einfahrt in den Hafen stellen wir fest, dass nicht ein, nicht zwei, sondern vier Kreuzfahrtschiffe heute dort vor Anker liegen! Ein Alptraum. Ich google eines davon, die «Koningsdam», die 2’560 Passagiere umherschippert. Keines der anderen Schiffe ist kleiner, d.h. Skagway mit seinen 700 Einwohnern hat heute etwa 10’000 Touristen zu Besuch…

Kapazität der Celebrity Edge: 2916 Passagiere …

Trotz der vielen Touristen hat mein ausgewählter Coffee Shop leider schon geschlossen, genau wie der 2.- und 3.-Platzierte. Also gibt es halt keinen Nachmittagskaffee für die Fahrt – ich mache noch ein paar schnelle Schnappschüsse vom Städtchen.

Danach mache mich dann aber auch direkt weiter auf den Weg über den Klondike Highway in Richtung Kanada.

Auf der US Seite ist das Wetter weiterhin sehr durchwachsen; Chilkoot Haven war ja die ganzen letzten 4 Tage schon ein Nebelloch (bzw von tiefhängenden Wolken verdeckt), Haines war nicht viel besser, Skagway heute dito.

Am Grenzübergang USA/Kanada mache ich nicht wie sonst am «Willkommen in Alaska» Schild halt, weil mehrere Tourbusse der Kreuzfahrer mit Dutzenden von Besuchern dort aufgelaufen sind – man muss effektiv Schlange stehen um ans Schild zu kommen! Nein danke…

Am kanadischen Übergang einige Kilometer später habe ich 4 Autos vor mir, was super passt – genau zu dieser Zeit hat hier gerade ein Zug der kanadischen White Pass & Yukon Railway angehalten, so dass ich im Warteraum schnell ein paar Fotos vom Auto aus machen kann.

Die Einreise nach Kanada verläuft wieder problemlos, und der kanadische IO macht dem guten Ruf der Kanadier alle Ehre und ist super freundlich und gesprächig.

Die nächsten paar Kilometer ist es noch bewölkt und nieselt sogar etwas, aber die Sonne bricht langsam durch.

Im weiteren Verlauf erfüllt sich die Wettervorhersage für den kanadischen Bereich bis Whitehorse, es wird sonnig und schön!

Das «Willkommen im Yukon» Schild liegt fast eine Stunde hinter der Grenze, dahin kommen keine Kreuzfahrer mehr und ich habe den Platz wieder für mich alleine 🙂

Ein Grund, fast der Hauptgrund sogar, dass ich die Fähre statt des Landwegs nach Whitehorse genommen habe, ist dass auf dieser Strecke die Insel «Bove Island» liegt – bei gutem Wetter ein sehr malerisches Fleckchen, an das ich mich noch gut von 2018 erinnere. Das Hauptproblem damals war, dass man trotz eines etwas erhöhten «Scenic Viewpoints» doch nur wenig von der Insel sieht, der Blickwinkel ist zu flach. Aber heuer habe ich ja die Drohne dabei, und laut NAVCAN darf man am Aussichtspunkt auf Bove Island fliegen.

Dort angekommen macht mir allerdings der sehr starke, böige Wind einen kleinen Strich durch die Rechnung – ich kann die Drohne zwar aus einer windstillen Senke aus starten, aber kaum ist sie 20 Meter in der Luft, fängt sie schon an zu jammern – «heftige Windverhältnisse, Drohne kann nicht mehr selbständig zurückkehren, etc». Die Mini ist einfach zu leicht mit ihren 249 Gramm und schwankt sichtlich mit Mühe im Wind – mit der Air 2S wäre das sicher besser gegangen, aber die schweren Drohnen haben in USA und Kanada eben andere Herausforderungen durch die strengen Regulariern.

Anyway, ich konnte die Drohne ja manuell fliegen, allerdings habe ich mich dann nicht getraut wie ursprünglich geplant bis zur Insel zu fliegen, sondern nur von einem erhöhten Blickpunkt direkt über mir. Hier also ein paar Eindrücke von Bove Island: 

Nur ein paar Kilometer nach Bove Island komme ich nach Carcross mit der (nach eigener Aussage) «kleinsten Wüste der Welt». Es handelt sich aber nicht um eine echte Wüste, dafür gibt es hier zu viel Feuchtigkeit, und im Winter sogar Schnee. Die Sanddünen von Carcross bestehen aber tatsächlich aus echtem Sand, der vor Jahrtausenden aus Bodensedimenten eines Sees entstanden ist.

Nach dem Stop in Carcross geht es noch eine Dreiviertel Stunde ohne weitere Halts weiter bis Whitehorse; das Wetter ist toll, die Herbstfarben sind zwar noch nicht in voller Pracht aber glühen trotzdem im Sonnenlicht herrlich, so macht das Freude.

Bei der Zufahrt nach Whitehorse von Süden aus gibt es auch eine kleine Haltebucht mit einem «Willkommen«-Schild, hier halte ich natürlich nochmal kurz an.

Allzu lange will ich aber nicht mehr verweilen; es ist bereits nach 19 Uhr, und die meisten Restaurants haben entweder schon zu oder schliessen zwischen 20 und 21 Uhr. Ich habe mir für heute nochmal das «Belly of the Bison» im Edgewater Hotel als Ziel ausgesucht; wenn sich der Kreis zum Start schon schliesst, dann doch richtig 🙂

Aber zuerst beziehe ich mein Apartment für die nächsten beiden Nächte in einer relativ neuen Überbauung, den Wind River Condominiums. Das tolle Apartment von Curtis, das ich vor 6 Jahren am Ende bezogen hatte, ist zwar noch bei AirBnb im Programm, er vermietet inzwischen aber an Firmen für Saisonarbeiter – 60 Nächte Mindestaufenthalt!  Allerdings habe ich es hier auch gut erwischt, mein Apartment 307 steht dem von Curtis in keiner Weise nach – im Gegenteil, hier hat es zusätzlich einen Lift, eine Waschmaschinen/Trockner Combo und einen reservierten Parkplatz. Zwar keine Dachterrasse, aber dafür einen Balkon. Und das Ganze zu einem Preis pro Nacht wie das Edgewater Hotel, aber ungefähr 20x besser.

Über den Lift bin ich sehr froh, weil ich morgen alle Habseligkeiten, die sich die letzten 6 Wochen auf Koffer, Taschen und Auto verteilt hatten, sortieren, entsorgen und in 2 Koffer zurückpacken muss. Das ist eine ordentliche Schlepperei, und ich bin froh dass ich das nicht «zu Fuss» über 4 Treppen machen muss.

Aber für den Moment ziehe ich kurz mit den wichtigsten Sachen ins Apartment.

Danach ist es bereits nach halb acht, und ich fahre schnell den Kilometer zum Edgewater Hotel, wo ich an der Bar des «Belly of the Bison» noch problemlos einen Platz bekomme, und -wie zum Start der Reise- nochmal die Bison Bolognaise zum Dinner geniesse.

Nach dem Essen flaniere ich noch ein wenig durch die Gegend um das schöne Wetter zu nutzen, es wird dann aber schnell dunkel nachdem die Sonne untergegangen ist, und damit auch recht kühl.

Zurück im Apartment geniesse ich nach den letzten Tagen in der digitalen Diaspora das schnelle Internet, nicht zuletzt um den 2. Teil vom gestrigen Tagesbericht zusammenzustellen, und relaxe danach noch eine Weile.

Unterkunft: The Wind River Condominium, Apt. 307, 85 Ogilvie Street, Whitehorse, Yukon (via AirBnB)
Gefahrene Km: 241 (plus 40km mit der Fähre von Haines nach Skagway)
Schritte: 6’749
Fotos: 624