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Tag 7 – 20.07.24

Vorwort

Wer sich jetzt wundert, wieso es heute schon den Tagesbericht für Tag 7 gibt, wo ich gestern doch erst geschrieben hatte dass es die nächsten 3 Tage eine Zwangspause gibt: gut aufgepasst 🙂 Die Auflösung dazu gibt es im weiteren Verlauf dieses Tagesberichts (bzw spät in der Nacht).

Aber nun zum Tagesbericht

Ich wache zufällig wieder um 4:45 Uhr auf, ein kurzer Blick nach draussen zeigt einen klaren wolkenlosen Himmel, aber kein Grund aufzustehen 😊  Die Fotos von gestern sind so schön gelungen, ich habe nicht das Gefühl ich müsste das heute nochmal wiederholen. Stattdessen lege ich mich nochmal hin, und schlafe bis der Wecker um 6:45 Uhr klingelt.

Der neue Tag begrüsst mich mit gutem Wetter:

Das Frühstück geht heute wesentlich „runder“ über die Bühne als gestern, als mein Brot (dank des Zitat „langsamsten Toasters der Welt“) erst kam als ich schon seit 5 Minuten fertig war. Heute dagegen geht es wie am Schnürchen, und lecker ist es auch noch.
Danach packe ich meine Sachen ins Auto, bezahle an der Rezeption noch meine aufgelaufenen Kosten aus den Nachtessen etc., und mache mich dann auf den Weg. Mein Tagesziel ist heute die Aurum Lodge im Cline River Valley; der Cline River liegt ausserhalb des Nationalparks etwa auf halbem Weg zwischen Lake Louise und Jasper, und die Lodge hatte im Amerika-Forum in einem Reisebericht sehr gute Kritiken bekommen. Ausserdem wird sie von einem Schweizer Ehepaar geführt – daher hatte ich mich in der Reiseplanung entschlossen, hier 3 Nächte zu buchen und die Lodge als Ausgangsbasis für Tagesausflüge auf dem Icefield Parkway zu nutzen, der 230km langen Strecke entlang zahlreicher Seen und Trails zwischen Lake Louise und Jasper.

In Google Maps habe ich heute 7 Zielpunkte auf der Route nach Cline River eingetragen; bei den Meisten davon ist die Idee, nur einen ersten Eindruck zu bekommen, und dann in den nächsten Tagen entsprechend zielgerichtet weitere Ausflüge zu unternehmen.

Als Erstes fahre ich wieder zur „Mall“ im Zentrum von Lake Louise; ich brauche frisches Eis für die Kühlkiste, und nehme noch ein paar Dosen Bier & Cola sowie etwas Sprudel mit. Die Tatsache dass ich hier auch nochmal normalen Handyempfang habe nutze ich für einen Anruf daheim; die nächsten Tage werde ich wieder im digitalen Niemandsland verbringen.

Danach geht die Tour los; die erste Sehenswürdigkeit auf der Liste liegt sowieso am Weg: das „Willkommen in British Columbia“ Schild direkt am Trans-Canada-Highway.

Das Schild liegt deswegen direkt am Weg, weil ich nicht auf gerader Strecke in Richtung Jasper fahre, sondern vorher noch einen Abstecher zu den Takakkaw Falls mache – hin und zurück ein Weg von etwa 100 Kilometern, die sich aber lohnen.

In den Google Reviews und Reiseberichten heisst es zwar, man solle entweder sehr früh oder spät am Tag dort hinfahren, weil die Parkplätze (auch hier mal wieder) sehr schnell überlaufen sind, aber kurz vor 11 Uhr zählt sicher nicht mehr als „früh“. Der Weg zu den Falls ist auf jeden Fall sehr schön, vor allem die letzten 13 Kilometer durch die Nadelwälder, deren Duft durch die offenen Autofenster kommt.

Bei den Falls angekommen zeigt sich, die Warnung war berechtigt: die Leute parken schon weit, weit ausserhalb der offiziellen Parkplätze. Ich fahre hinter den 3 Autos vor mit in den richtigen Parkplatz ein, und nachdem sich alle vor mir in halblegale bis nicht vorhandene Lücken am Rand einmanövriert haben, wird direkt vor mir ein ausgewiesener Parkplatz direkt am Trailhead frei! Glück muss man haben 😊

Der „Trail“ ist sehr überschaubar und einfach, wenn man sich viel Zeit lässt und fotografiert ist man trotzdem in 15-20 Minuten gemütlich an den Falls.

Zurück im Auto geht es den ganzen Weg zurück; die Abzweigung auf den Highway A93, den Icefields Parkway nach Jasper, liegt nur 4 km hinter dem Zentrum von Lake Louise. Kurz vorher gibt es auch noch das Gegenstück zum „British Columbia“ Schild von heute morgen: dem „Welcome to Alberta“.
Eingedenk des Hinweises von den Aurum Lodge, dass man angesichts der wenigen Tankstellen auf jeden Fall vor Abfahrt volltanken soll, mache ich das noch. Es gehen zwar nur magere 17 Liter in den Tank, aber es fühlt sich einfach besser an mit vollem Tank zu starten.

Die weiteren Aussichtspunkte auf meiner Liste für heute liegen alle entlang des Icefields Parkway und somit auf dem Weg nach Cline River. Konkret hatte ich mir nach den Takakkaw Falls noch einen Blick auf die folgenden Sachen vorgenommen:

  1. Hector Lake
  2. Bow Lake
  3. Peyto Lake
  4. Waterfowl Lake
  5. Abraham Lake

„Hell is other people“

Nachdem der Tag, gerade mit den Wasserfällen und der angenehmen Fahrt zwischen dort und Lake Louise, so entspannt angefangen hat, verläuft der Nachmittag frustrierend und nervig. Zum ersten Mal denke ich bewusst daran, wie sehr ich mich schon auf die Einsamkeit Alaskas freue bzw auch wie privilegiert meine Aufenthaltsorte in den letzten paar Tagen waren. Die verschiedenen Ecken des Nationalparks sind unbestritten wunderschön, aber es hat einfach viel zu viele Leute hier. Ja ich weiss, dass ich auch einer dieser Leute bin, das macht es gefühlt aber nicht besser.

An jedem, wirklich jedem Viewpoint und Parkplatz, an jeder Haltebucht, egal wohin man schaut, alles ist vollgestopft mit Autos und Menschen. Dazu kommt natürlich auch noch, dass heute Samstag ist, und sicher viele Einheimische das schöne Wetter zu einem Ausflug nutzen.

Aber der Reihe nach:

1. Hector Lake
Der kleine Parkplatz ist so voll, dass ich nicht einmal hineinfahre, sondern direkt weiter. Egal, denke ich – Bow Lake und Peyto Lake sind den Berichten nach sowieso die schöneren Seen.

2a. Bow Lake Viewpoint
Hier mal ein paar Eindrücke – schön wäre es hier ja schon, aber das finden alle anderen eben auch. Die Leute kommen sogar mit ihrer Grossfamilie, um auf einer Wiese zwischen Highway und See ein Picknick zu veranstalten.

2b. Bow Lake Lodge
In einem Reisebericht hatte ich den Tipp gelesen, unbedingt zu der kleinen Lodge am See zu fahren, dort sei es speziell schön. Ist es sonst sicher auch, aber nicht heute.

Auf der Zufahrtsstrasse, die links und rechts mit Parkverboten beschildert ist, stehen links und rechts dicht an dicht sicher an die hundert Autos. Ich manövriere mich durch die enge Gasse, und habe am (offiziellen) Parkplatz wieder das gleiche Glück wie am Morgen an den Wasserfällen, und direkt vor mir wird ein Platz frei. Ich gehe an der wirklich pittoresken Lodge vorbei und laufe ein wenig durchs Gelände, aber es macht wirklich keinen Spass – das Gelände ist von Massen überlaufen. Nach einer halben Stunde habe ich genug; dazu trägt sicher auch die grosse Hitze bei; der Planet brennt heute bei 30 Grad vom Himmel, und Schatten hat es wenig.

Also weiter zum Peyto Lake, vielleicht ist es dort ja besser? Ha, von wegen! Ein Parkplatz so gross wie in Europa beim Fussballstadion, vollgepackt mit Reisebussen, Campern und Autos. Neben der Hitze ist es mittlerweile auch extrem dunstig geworden, so intensiv habe ich das bisher noch nie gesehen. Also zusammengefasst: Betrieb wie auf dem Oktoberfest, heiss, schwül, schwitzig, und mieses Licht so dass man nichtmal gute Bilder hinbekommt? Meh.

Nachdem ich einmal über den Parkplatz gerollt bin gebe ich spontan auf, und ändere den Plan – ab zur Lodge, Duschen und erholen. Der Waterfowl Lake entlang des weiteren Weges sieht toll aus, hat aber die gleichen Probleme – ich fahre daher nicht einmal mehr von der Hauptstrasse herunter. Und der Abraham Lake liegt geographisch nach der Lodge, dahin komme ich heute also nicht mehr.

Erfreulich allerdings ist, dass ab dem Moment, wo ich vom Icefields Parkway in Richtung Cline River abbiege, die Anzahl Autos auf den Strassen massiv abnimmt. In den 25 Kilometern vor der Lodge sehe ich einige Ecken, die ich morgen gerne besuchen will, wenn/falls es dann nicht mehr so super diesig ist.

An der Lodge

Nun ja, 2 Erkenntnisse: die Schweizer haben im Dezember die Lodge an neue Besitzer verkauft, und ich hatte bei der Buchung keinen Gedanken darauf verschwendet, dass es auf fast 2000 Meter Höhe über 30 Grad werden könnte. Die Lodge ist 100% self-sustainable (bzw will es werden; für ihr Restaurant brauchen sie noch einen Generator) und liegt sehr schön, hat aber natürlich keine Klimaanlage, und das ist heute schon ziemlich bitter.

Der Tag schliesst dann aber positiv mit einer der Neuerungen, die die neuen Besitzer eingeführt haben – sie haben ein kleines Restaurant in der Lodge eröffnet, und an einem der 4 Tische auf der Terrasse sitze ich sehr angenehm und geniesse das wirklich ausgezeichnete Essen. So etwas hätte ich an einem Ort „off the beaten path“ wie diesem hier wirklich nie erwartet! Ausserdem haben sie ein kleines Bänkchen am Rande des Grundstücks, von dem aus man einen wirklich tollen Blick hat (wenn es nicht so diesig wäre) – dort trinke ich dann noch gemütlich ein kaltes Bier aus der Eiskiste.

Um 22 Uhr ist es immer noch stickig heiss in der Bude, laut Innenthermometer im Flur sind es immer noch 28 Grad. Ich lege mich dann aber trotzdem langsam flach, und plane morgen zeitig aufzustehen, um am Vormittag vor den Massen ein paar Ecken in Ruhe erkunden zu können. Nachmittags soll es wieder deutlich über 30 Grad geben.

Die Auflösung

Nachdem es tagelang auch hier ungewöhnlich heiss war, hat sich nicht nur die Luft sondern die ganze Bausubstanz der Lodge aufgeheizt. Da mein Zimmer oben unterm Dach liegt ist es nochmal heisser, und dann kann auch nur ein kleiner Fensterausschnitt (mit Fliegengitter) geöffnet werden, somit gibt es kaum Durchzug, und die Hitze steht regelrecht im Zimmer.

Um 1 Uhr bin ich zwar todmüde aber wegen der Hitze immer noch hellwach. Die Vorstellung, die nächsten beiden Tage und Nächte so verbringen zu müssen, macht mir langsam wirklich Sorgen. Da ich eh nicht schlafen kann nutze ich das lahme Internet, um in Schneckengeschwindigkeit bei Booking, Google & Co testhalber mal zu schauen, ob ich allenfalls kurzfristig noch irgendwo ein Zimmer mit Klimaanlage für die nächsten 2 Nächte bekommen könnte.

Klar wäre das irgendwo bitter – wenn ich früher als gebucht hier ausziehe zahle ich die nächsten beiden Nächte doppelt. Dazu kommt noch, dass im Nationalpark bekanntlich alle Unterkünfte ausgebucht sind und nicht unbedingt auf Leute warten, die tagesaktuell etwas buchen wollen… Und in Kanada sind Klimaanlagen wesentlich weniger üblich als zB in USA, vielleicht auch deswegen weil Kanada sonst nicht so heisse Sommer gewohnt war.

In der Gegend in der ich aktuell bin bzw ab Dienstag sein werde ist gar nichts zu finden; das Fairmont in Lake Louise oder in Banff hat noch klimatisierte Zimmer frei, aber zu Mondpreisen. Und dann stosse ich bei AirBnB auf etwas Spannendes: eine sehr hübsche, moderne Cabin mit Klimaanlage, einem Durchschnittsrating von 4.96, und sie ist die nächsten beiden Tage tatsächlich noch nicht gebucht!

Preislich kosten die beiden Nächte trotz des deutlich besseren «Gesamtpakets» dort genauso viel wie mein heisses Zimmer in der Aurum Lodge für den gleichen Zeitraum – und der Grund dafür wird schnell klar, die Cabin liegt nicht im «bevorzugten» Nationalparksgebiet, sondern recht ausserhalb. Und auch noch in der falschen Richtung – die Stadt Golden in British Columbia ist 2.5 Stunden von Cline River entfernt, aber südöstlich – und ich muss am Dienstag ja nach Norden.

Ich beschliesse erstmal noch drüber zu schlafen (haha, können vor Lachen) bevor ich eine Entscheidung treffe. Als ich um 2:30 Uhr immer noch wach bin und mir in Gedanken schon ausmale, dass ich morgen früh feststellen müsste dass mir jemand die Cabin in Golden vor der Nase weggeschnappt hat, mache ich Nägel mit Köpfen und buche die Cabin. Diese Urlaubsreise ist zwar lang, aber trotzdem zu kurz um 2 Tage & Nächte vor sich hin zu vegetieren.

Danach lege ich mir ein nasses Handtuch aufs Gesicht, was die Hitze ein klein wenig erträglicher macht, und schlafe irgendwann tatsächlich ein.

Unterkunft: Aurum Lodge, Cline River, Nordegg, Alberta
Gefahrene Km: 246
Schritte: 8’921
Fotos: 319