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Tag 10 – 23.07.24

Um 8:30 Uhr klingelt mein Wecker – ich muss bis um 10 Uhr aus Ravenhill draussen sein, und die diversen frisch gewaschenen und gebügelten Sachen wollen noch zusammen mit all dem anderen Krimskram in die Koffer bzw im Auto verstaut werden.

«Reisen mit leichtem Gepäck» sieht definitiv anders aus!

 In der Nacht hatte es offenbar (kurz?) geregnet; zum einen ist die Sicht heute morgen so klar wie schon lange nicht mehr, zum anderen sieht meine Windschutzscheibe aus wie Sau 🙂

Das passt aber ganz gut zu meiner Planung; ich habe heute zwar eine längere Fahrstrecke vor mir, um in Jasper Nationalpark zu kommen, habe mir aber trotzdem einen Plan mit mehreren Stops zurecht gelegt:

  • Kurzer Halt in Golden bei der Pharmacy, um noch ein paar Kleinigkeiten (Tempos, Purrell etc) zu besorgen
  • Im Golden Car Wash Self-Service den übelsten Schmutz vom Wagen waschen
  • In der Handle Bar von gestern einen Kaffee und einen Smoothie holen, und dann ab «on the Road»
  • Zwischenstop am Emerald Lake, etwa 40 Minuten von Golden entfernt
  • Zwischenstop in Lake Louise, den Wagen wieder volltanken
  • Weiter in Richtung Jasper, mit einem Abstecher in die Aurum Lodge um dort ein spätes Mittagessen einzunehmen
  • Dann nach Jasper – in den Becker’s Chalets etwa 8km vor der Stadt habe ich für die nächsten 2 Nächte eine Cabin gebucht

Einer meiner liebsten Aphorismen ist ja «Kein guter Plan überlebt den Kontakt mit der Realität für länger als 5 Minuten» (und muss dann angepasst werden). Heute erwischt mich dieser Satz aber selbst auf dem falschen Fuss.

In der «Handle Bar» plaudere ich mit der Barista, die von Lieferproblemen bei bestimmten Zutaten erzählt, als sie in einem Nebensatz erwähnt dass es jetzt «mit den Strassensperrungen sicher noch schwieriger wird». Strassensperrungen? «Ja, die Behörden haben heute Nacht die Stadt Jasper wegen den Waldbränden evakuiert.»

Ich denke ich höre nicht recht! Sie weiss auch nicht genau, ab wo welche Strassen gesperrt sind, legt mir aber nahe, bei meiner geplanten Unterkunft anzurufen und festzustellen, ob ich überhaupt dorthin kommen kann.

Zurück im Auto rufe ich direkt bei den Beckers an, aber auch nach 3 Runden durch ihr Triage-System («Drücken Sie die 1 um mit einem Mitarbeiter zu sprechen») erreiche ich niemand. Kein gutes Zeichen. Ich google nach Nachrichten zu Jasper, und wow – es ist nicht nur die Stadt Jasper, die evakuiert worden ist, sondern der gesamte Nationalpark!

Quelle: www.jasper-alberta.ca

Zur Verdeutlichung hier noch ein Screenshot von Google Maps; der gestrichelt-rot umrandete Bereich ist der Nationalpark.

Quelle: Google Maps

Damit ist klar, ich komme heute nicht nach Jasper bzw zu den Beckers. Aus den Nachrichten wird klar, dass die Behörden in der letzten Nacht etwa 25’000 Besucher und Einwohner aus dem Park evakuiert haben. Es gibt nur 2 Hauptstrassen aus Jasper heraus – die nach Osten ist relativ nah am Feuer, die nach Westen führt nach British Columbia. Und alle, die von British Columbia aus wieder in Richtung Banff/Calgary müssen, kommen irgendwann durch Golden.

Ich sitze immer noch auf dem Parkplatz vor der Handle Bar im Auto, und schreibe auf AirBnB schnell eine Nachricht an die Vermieterin von Ravenhill, ob ich nicht allenfalls um eine Nacht verlängern kann. Sie ist gerade beim Aufräumen in der Cabin, und antwortet praktisch sofort auf meine Frage – ja, das geht. Puh! Damit ist für heute immerhin schonmal der Schlafplatz gesichert.

Eine Viertelstunde später bin ich zurück an meiner Bleibe aus den letzten beiden Nächten, und plaudere ein wenig mit Stephanie, der Besitzerin. Sie erzählt dass ich ihr erster «externer» AirBnB Kunde bin – Ravenhill ist schon länger bei AirBnB gelistet, aber sie und ihr Mann haben diese Cabin und das etwa 50 Meter weiter oben am Hang liegende Haus erst kürzlich gekauft, als die beiden Objekte auf den Markt gekommen sind. Sie sind beide Anfang 50, nutzen die Häuser entweder um sich selbst & Freunde und Familie zu beherbergen, oder sonst als passives Einkommen via AirBnB. In 8 Jahren wollen sie sich dann hier zur Ruhe setzen. Nicht schlecht!

Sie kommt mir ausserdem von sich aus sehr entgegen – sie will mir auf keinen Fall die AirBnB Reinigungsgebühr zweimal in Rechnung stellen, und nachdem ich die Verlängerung offiziell über das AirBnB System gebucht habe, reduziert sie die Rate nachträglich im System. Echt sehr nett!

Tja, und dann sitze ich schon wieder hier, nur anderthalb Stunden nachdem ich ausgezogen bin. Auf YouTube schaue ich erstmal die Lokalnachrichten, Jasper hat ein (zumindest heute) sehr aktives Subreddit mit vielen Infos, und auf der kanadischen Info-Seite zu Waldbränden kann man gut (und in Echtzeit) verfolgen, was sich so tut. Und dann geht es an die Umplanerei: nach Jasper habe ich eine Unterkunft in Valemount gebucht, etwa 130km westlich vom Nationalpark – wenn ich aber nicht durch den Park fahren kann, ist die Alternativroute von hier aus 700km…

Da ich aber eh nur eine Zusatznacht in Ravenhill bekommen konnte (morgen kommen neue Gäste) kann ich noch eine Nacht Zwischenstation auf halbem Weg nach Valemount machen, und nach längerer Suche, Abwägen von Optionen etc. buche ich dann in dem Örtchen mit dem schönen Namen «Salmon Arm» ein Hotelzimmer für morgen nacht.

Die Schiffstour auf dem Maligne Lake zu Spirit Island – auch eines der «Must Do’s» in Jasper – die ich für morgen vorausgebucht hatte, wird im Lauf des Nachmittags heute vom Veranstalter selbst storniert. Es kann zwar keiner im Moment mit Sicherheit sagen, wie lange der Park gesperrt sein wird, aber ich hatte testhalber mal versucht, ein Hotelzimmer im Park zu buchen, um zu sehen wie die Hotels die Lage einschätzen – und diese Lodge hatte für die nächsten 7 Tage alle Buchungen in ihrem System gesperrt. Selbst das dürfte aber mehr als optimistisch sein; auf Reddit tauchen inzwischen diverse Berichte von Leuten auf, die von der Parkverwaltung bereits Absagen von gebuchten Aufenthalten im Park (zB auf Campsites) bis weit in den August hinein erhalten haben.

Mittlerweile ist es bereits später Nachmittag, ich habe ganz schön viel Zeit mit der Planerei verloren. Ich lasse wenigstens nochmal schnell die Drohne für ein paar Stimmungsbilder aufsteigen.

Golden ist nicht in einer Gefahrenzone, aber es hat fast überall in Westkanada derzeit vereinzelte Waldbrände, die von den Firefightern bisher ganz gut im Griff gehalten werden – das Problem in Jasper waren wohl zig Blitzeinschläge während Gewittern in der vergangenen Nacht, die sich in kürzester Zeit zu einem Flächenbrand entwickelt hatten.

Ich bin nun doppelt froh, dass ich vorzeitig aus der Aurum Lodge ausgezogen bin – und dass ich bei meiner Zimmersuche in Hinton (auf der Ostseite des Parks) kein Zimmer mit Klimaanlage mehr finden konnte. Hinton wäre nämlich eigentlich viel besser für meine Reise nach Jasper gelegen gewesen, aber jetzt würde ich dort recht blöd dreinschauen – von Hinton nach Valemount benötigt die Alternativroute ohne Parkstrasse nämlich über 12 Stunden Fahrzeit!

Am frühen Abend hole ich mir in Golden beim Mexikaner einen Burrito zum Dinner, und gehe an der nächsten Tankstelle noch den Wagen volltanken, damit ich das morgen nicht mehr machen muss.

Inzwischen wird es hier auch wieder recht diesig:

Dreck in der Luft macht schöne Sonnenuntergänge … 🙁

Oh man, was für ein Tag! Aufregender als man sich das wünscht, auch wenn ich ja praktisch nur «daheim» gesessen bin. Und mir geht es selbstverständlich 100x besser als den armen Touristen, die letzte Nacht aus dem Park evakuiert wurden, und vor allem natürlich als den dortigen Einwohnern, die nun darum bangen müssen was aus ihren Häusern wird.

Morgen früh geht es für mich dann wieder nach Golden zum Frühstück, und wenn das Wetter mitspielt steht wieder Emerald Lake auf dem Programm, bevor ich den Weg nach Salmon Arm antrete. Der Wetterbericht sagt für die zweite Wochenhälfte Regen voraus, und angesichts von Rauch und Asche in der Luft kann man sich wohl nur wünschen, dass das Regenwetter lieber früher als später kommt!

Unterkunft: Ravenhill Retreat, Golden, British Columbia (via AirBnB)
Gefahrene Km: 56
Schritte: 5’122
Fotos: 22