Heute stehen nach dem Dempster zwei weitere berühmt-berüchtigte Schotterstrassen auf meinem Reiseplan – der «Top of the World Highway» in Yukon, und der «Taylor Highway» auf der US-amerikanischen Seite in Alaska.
Berühmt sind beide Strecken für die tolle Aussicht, die sie jeweils bieten; berüchtigt, weil die vielen Kilometer ungeteerte Strasse Gift für Reifen und Windschutzscheiben sind und darüber hinaus bei schlechten Wetterverhältnissen auch noch durchaus anspruchsvoll zu fahren sind. Da es auf der Strecke so gut wie keine Siedlungen gibt, ist im Bedarfsfall auch kein Pannendienst einfach so verfügbar. Die grossen Fahrzeugvermieter in Alaska verbieten daher das Befahren der beiden
Strassen (genau wie den Dempster) – mit ein Grund dafür, dass ich den Boliden bei Driving Force in Kanada gemietet habe.
Nachdem ich um halb neun aus dem Bombay Peggy’s ausgecheckt habe, mache ich mich auf den Weg. Zuerst will ich mir aber noch einen Guten-Morgen-Kaffee für die Fahrt holen, was sich aber als überraschend schwierig erweist. Es gibt lt. Internet zwei gute Cafes in Dawson – das Alchemy Cafe, das erst in einer Stunde öffnet (so lange will ich nicht warten) und das Riverwest Cafe in dem ich gestern schon war … das heute aber überraschend geschlossen ist, weil bei ihnen der Strom ausgefallen ist. Auf das flüssige Sodbrennen aus der Warmehaltekanne von der Tankstelle habe ich keine Lust, also mache ich mich ohne Kaffee auf den Weg und beschliesse, heute zum ersten Mal die von zu Hause mitgebrachte «Geheimwaffe» für diesen Zweck zum Einsatz zu bringen. Mehr dazu in ein paar Minuten.
Der Top of the World Highway beginnt direkt hinter Dawson City auf der anderen Seite des Yukon. Allerdings gibt es in Dawson bis heute keine Brücke über den Fluss,
somit verkehrt (in den Sommermonaten) eine kostenlose Fähre, die rund um die Uhr Autos und Wohnmobile in beide Richtungen übersetzt. Man darf sich darunter jetzt aber kein grosses Schiff vorstellen – die Fähre ist eine Plattform mit Platz für vielleicht 8-10 Autos und einer Steuerbrücke, mehr nicht.
An der Anlegestelle ist um diese Zeit noch nicht so viel los, ein Wohnmobil und 2 Autos warten vor mir. Ich reihe mich in die Schlange für «Small Cars» ein, worunter laut Schild alle Autos unter 8 Metern Länge fallen.
Nach ein paar Minuten ist die Fähre auch bereits da, 4 Autos verlassen sie in Richtung Dawson, und dann sind wir auch schon zügig aufgefahren. Die Überfahrt daurt wiederum nur ein paar kurze Minuten, und dann beginnt auch schon Highway 9 – der Top of the World.
Laut Wetterbericht sollte es am Vormittag sonnig und schön sein, leider hat Dawson das wohl nicht mitbekommen – Wolken und Nebel hängen dicht über dem ganzen Gebiet, und somit streiche ich schon den ersten Viewpoint auf meiner heutigen Liste – eigentlich sollte man bereits nach ein paar Kilometern einen tollen Blick zurück auf Dawson haben, aber die Sichtweite beträgt weniger als 100 Meter, und Dawson ist nicht einmal zu erahnen.
Ich ärgere mich bereits etwas – den Top of the World bei Nebel zu fahren hiesse, nichts von der berühmten Aussicht zu sehen. Während ich noch erwäge, an einer Haltebucht eine Pause einzulegen und auf Wetterbesserung zu hoffen, durchbricht die Strasse plötzlich die Wolkendecke, und vor mir liegt ein strahlend blauer Himmel mit genau der sensationellen Aussicht, für die der TOTW berühmt ist.
Nachfolgend also die gesammelten Eindrücke vom heutigen Trip auf dem Top of the World!
Durchbruch durch die Wolken-/Nebeldecke
Und dann ist man buchstäblich über den Wolken:
Der TOTW zeigt sich heute entgegen seines berüchtigten Rufs von seiner besten Seite – ja, es gibt einige Schlaglöcher, und ja, bei Regen wird die Piste garantiert glatt und schlüpfrig, aber bei den heutigen Verhältnissen fährt sich die Strecke angenehmer als manche deutsche Landstrasse.
Am späteren Vormittag wird es dann Zeit, die vorhin erwähnte «Geheimwaffe» einzusetzen. Im Wissen um die limitierte Versorgung mit Coffeeshops in Alaska hatte ich eine handbetriebene Reise-Espresso-Maschine in den Koffer gepackt, die in einem Wohnmobil-Reiseforum hochgelobt wird. Damit man unterwegs auch heisses Wasser dafür zubereiten kann, habe ich das Set noch um einen Auto-Wasserkocher ergänzt, der über den Zigarettenanzünder etwa 300 ml Wasser in einer Viertelstunde zum Kochen bringen kann.
Der Wasserkocher:
Die Kaffeemaschine:
18 Bar Zubereitungsdruck mit Handbetrieb:
Der fertige Espresso!
Gegen Mittag und nach den ersten 102 km der heutigen Reise-Etappe erreiche ich den höchstgelegenen Grenzübergang der USA – Poker Creek.
Ich bin zu der Zeit der Einzige, der über die Grenze möchte, und nach einer schnellen Fragerunde durch den Immigration Officer werden wie üblich Fingerabdrücke genommen, ein Bild gemacht, ich bezahle 6 Dollar Bearbeitungsgebühr, und bekomme meine 90-Tage-Einreisegenehmigung. Als kleine Besonderheit gibt es noch den offiziellen «Poker Creek» Caribou Stempel in den Pass, den man nur hier bekommt!
Draussen schiesst die IO Beamtin netterweise noch ein Foto von mir, berichtet dass sie das seit Monaten jeden Tag x-mal für Reisende macht, und das heute ein extrem ruhiger Tag sei – am Vortag sind über 100 Autos eingereist, heute seien es bislang noch keine 20. Ich habe also wirklich (wenn auch zufällig) ein glückliches Händchen bei der Planung gehabt!
Als ich in Tok angelange, besuche ich – im Gegensatz zu vor 3 Jahren – die lokale Berühmtheit Fast Eddy’s um endlich einmal den hochgelobten Burger dort zu probieren. Danach ist es nach 15 Uhr (neue Zeitzone! Alaska ist 10 Stunden zurück im Vergleich zu Deutschland, eine Stunde mehr als Kanada) und ich kann in meine Cabin für die Nacht einchecken.
Ich bin wie vor 3 Jahren in den Caribou Cabins abgestiegen, und bekomme zufällig sogar die gleiche Cabin (Nummer 1) wie damals zugeteilt!
Ausblick auf die nächsten Tage
Bei den gestrigen Planungsarbeiten musste ich ein paar Entscheidungen für die nächsten Tage treffen. Konkret geht es jetzt darum, ob ich nach Valdez weiterfahre – Valdez hat den Ruf bei gutem Wetter sehr schön zu sein, und bietet neben Seward die wohl besten Schiffstouren zu Gletschern und Wildlife an. Dafür muss man aber entweder via Fähre oder Strasse einen langen Weg dorthin in Kauf nehmen, und es ist wohl ein ziemliches «Regenloch», daher hatte ich es bei meinem ersten Alaska-Besuch nicht dorthin geschafft.
Laut Wetterbericht soll nun der kommende Dienstag einer der seltenen Sonnentage in Valdez werden – und ich habe mich entschlossen, das auszunutzen! Dafür muss ich aber am morgigen Montag nicht nur die geplanten 230 km nach Copperville fahren, sondern gute 400 km… es wird also ein Fahrtag. Im Gegenzug bleibe ich dann aber 3 Nächte bis zum 30. August in Valdez, und je nach Entwicklung der Wetterverhältnisse wird der Mittwoch dann eventuell der erste reine Ruhetag der Reise – wir werden sehen.
Leider habe ich in Valdez selbst keine gescheite Unterkunft mehr bekommen, daher habe ich mich in eine Lodge etwas ausserhalb eingemietet. «Etwas» ist aber im alaskanischen Kontext zu verstehen, es sind nämlich rund 60 Kilometer Entfernung. Dafür sieht die Lodge sehr gut aus, liegt direkt am Worthington Gletscher und hat prima Ratings bei den üblichen Portalen.
Ein Ticket für eine Schiffstour am Dienstag von Valdez aus auf der Lulubelle habe ich ebenfalls bereits gebucht, und hoffe jetzt dass der ganze Plan dann auch so aufgeht!
Gelaufene Km: 4.38
Gemachte Fotos: 175
wie war denn der espresso mcgyver???
und… klasse bilder von TOTW… muss ein beeindruckendes erlebis sein… neid hat sich wie erwartet eingestellt 😉
Der Espresso wird erstaunlich gut! Ich hatte in Whitehorse eine gute Bohnenmischung besorgt, und wenn man die Nanopresso vorher einmal mit heissem Wasser durchspült hat man einen heissen, leckeren Espresso mit echter Crema. Der grösste Aufwand ist tatsächlich, danach die Maschine on the road ohne Spülbecken und fliessendes Wasser zu reinigen.
Die Strecke von Whitehorse nach Dawson ist landschaftlich nicht sooo beeindruckend, vor allem wenn man schon andere Gegenden in Alaska gesehen hat, aber der TOTW ist den Aufwand und Weg dorthin definitiv wert. Alle 50 Meter kommt ein neuer "Wow"-Ausblick zum Staunen, daher habe ich auch 4 Stunden für die 100km gebraucht 🙂